Wenn meine Gruppe in einem RPG drei oder mehr Mitglieder stark wird, fällt in meinem Kopf meistens eine Schranke, die darüber zu entscheiden hat, ob und bis zu welchem Grad ich mich wirklich auf den Titel einlassen möchte. Die ersten fünf bis zehn Stunden liegen zu diesem Zeitpunkt meistens hinter einem, man hat die Spielewelt, ihre Bewohner, Möglichkeiten und Grenzen ausreichend beschnuppern können. Jetzt stellt man sich die Frage: Gehe ich weiter oder spiele ich etwas Anderes, bevor ich storytechnisch zu weit bin?
Im Falle von Octopath Traveler dauerte dieses Gedankenspiel allerdings nicht allzulange. Zum einen natürlich, weil das Spiel ein entscheidender Faktor bei der Geburt dieses Blogs war und ich mich ihm ein Stück weit verpflichtet fühle. Wichtiger ist aber noch, dass mir das Spiel einfach wirklich Spaß macht. Sicherlich sind nach den erwähnten zehn Stunden langsam einige Dinge zu Tage gefördert worden, die mir weniger gefallen und die ich mir für einen etwaigen Nachfolger generalüberholt wünsche (mehr dazu gleich). Trotzdem bin ich dem Charme des Spiels schlicht unverändert komplett verfallen. Ich spüre das Herzblut, dass hier in so viele Elemente geflossen ist, ich mag das unkomplizierte und doch stellenweise erstaunlich flexible und taktische Kampfsystem und ich erwische mich immer wieder selbst dabei, wie ich gut bekannt gewordene Melodien summe oder auf der Suche nach Items und Nebenquests mit einem breiten Grinsen im Gesicht durch die Welt ziehe.
Gleichzeitig kann und will ich nicht ignorieren, dass ich mir einiges anders wünschen würde, respektive Dinge, die mich zu Beginn kaum oder gar nicht störten, nun doch langsam negativ ins Gewicht fallen. Als erstes ist definitiv die mangelnde Kommunikation, die fehlende Verbindung zwischen den verschiedenen Charakteren zu nennen. Ja, die Erzählstruktur des Spiels hat, vermutlich mit Absicht, Kurzgeschichtencharakter. Aber wenn die anderen Charaktere aus der Gruppe kein Wort dazu sagen, dass vor ihren Augen eine Frau ermordet und ihre Gefährtin wüst beschimpft wird, nur um sich Sekunden später an ihrer Seite in einen Kampf auf Leben und Tod zu stürzen- dann wirkt das doch ziemlich seltsam.
Gegen einen strengen Fokus auf bestimmte Charaktere in einzelnen Kapiteln ist absolut nichts einzuwenden, im Gegenteil. Ich wünsche mir für andere RPGs, dass sie dieses Rekrutierungssystem adaptieren. Ein System das einen "zwingt", erst einmal für ein bis zwei Stunden in die Welt des neuen Charakters einzutauchen und seine Geschichte kennen zu lernen, bevor er sich der Gruppe anschließen kann oder möchte. Das Ganze wird aber dann problematisch, wenn das Spiel so tut, als hätte es nur einen einzigen Protagonisten. Immer und immer wieder.
Ebenfalls schade finde ich, dass Octopath Traveler niemals unter Pfützentiefe eintaucht, wenn es um die Geschichten geht, die seine Welt und Charaktere zu erzählen haben. Das gesamte Questdesgin ist auf die Plattform ausgelegt, auf der das Spiel läuft. Kaum eine Nebenquest dauert länger als zwei Minuten, gefühlt alle drei Meter finden wir einen Speicherpunkt. Dadurch vermittelt Octopath in gewisser Weise den Eindruck, in erster Linie ein Spiel für zwischendurch zu sein, dass sich nicht zuzutrauen scheint, nach Xenoblade das zweite hardcore RPG auf der Switch zu werden. Böse könnte man auch sagen, es spielt sich teilweise wie eine Portierung eines Mobile Games. Aber das wäre wohl zu gemein. =)
Genug mit dem Zwischenfazit. Das Spiel ist grundsolide und macht definitiv mehr richtig, als es falsch macht. Also wird es Zeit sich wieder in seine Welt zu stürzen. Wie in meinem letzten Eintrag angekündigt, beschließe ich mich mit meinem Trio einiger Nebenaktivitäten anzunehmen. Zuallererst kümmere ich mich natürlich um den alten Mann vor Sonnschatt und führe ihn wieder mit seinem Enkel in Klarach zusammen. Außerdem helfe ich einer verzweifelten Wanderin, die sich selbst Mutter der Drachen nennt ( Hallo, Game of Thrones), eines ihrer heiligen Echseneier wiederzufinden oder verhelfe einem frustrierten Fischer zu einem längst überfälligen Fangerfolg.
Das alles sind kurzweilige Aktivitäten, die mich allerdings nicht lange von der Hauptstory fernhalten können. Ich stoße schon bald auf zwei Quests, für die ich einen Charakter brauche, der andere Personen zu einem Zweikampf bewegen kann. Aus meinem Triumvirat, ein Heiler und im Prinzip zwei Schurken, kann das keiner tun. Der Ritter Olberic, das weiß ich aus der ersten Demo des Spiels, hat diese Spezialfähigkeit. Also mach ich mich auf, den grobschlächtigen "Tank" zu rekrutieren
Mal sehen, was er zu erzählen hat. =)