Anfang des Jahres habe ich zum zweiten Mal den 2018er Softreboot von God of War gespielt, weil ich das Gefühl hatte, dem Spiel auf das ich zuvor zwei Jahre sehnsüchtig gewartet hatte, nur schwerlich gerecht geworden zu sein. Ich hatte es durchgespielt, das Ganze hatte sich dabei aber über fünf Monate hingezogen. Ich konnte deshalb zwar schon sagen, dass ich das Spiel mochte; ohne Zweifel musste ich aber nach jeder längeren Pause wieder hineinfinden. Konkret bedeutete das, mir die Story grob vor Augen führen, ein neues Feeling für das Kampfsystem entwickeln- insgesamt also eher eine fragmentierte Angelegenheit.
Im Februar spielte ich das Spiel also noch einmal, die ersten zwei Drittel gar innerhalb von etwa zehn Tagen. Was soll ich sagen? Es war großartig! So großartig, dass ich auch fast vier Monate später sage: God of War (2018) verdient ein Platz in meinen persönlichen Top 10 Videospiele aller Zeiten. Die Reihenfolge ändert sich je nach Laune, aber in den Top 10 ist es in jedem Fall gut aufgehoben. Was für eine Reise. Beim zweiten Mal nahm ich mir wieder Zeit, aber auf die "richtige" Weise. Mein kompletter Fokus lag auf dem Spiel, ich las jeden Lore Eintrag, erfüllte jede Sidequest, die mir angeboten wurde, studierte das Kampfsystem, bis es mir in Fleisch und Blut überging und, vor allem, ich erkundete die Spielewelt.
Die Spielewelt von God of War ist der heimliche Star. Sie tritt nicht so prominent hervor wie in Skyrim und verweist einen nicht regelmäßig so unsanft auf seinen Platz wie Red Dead Redemption 2, sie ist dennoch essenzieller Bestandteil von Gameplay und Design. Wenn man es denn zulässt.
Denn erst in Durchgang zwei fiel mir auf, wie stark die semi open world von God of War wirklich ist. Ich sage hier bewusst semi, weil wohl kaum ein Begriff heutzutage schwammiger benutzt wird, als „open world“. Die Welt von Kratos und Artreus hat durchaus ihre Grenzen und wohlgesetzten unsichtbaren Mauern, aber innerhalb dieser Grenzen trumpft sie unfassbar auf. Unzählige Geheimgänge, Collectibles, Sidequests und Episoden des environmental storytelling erwarten einen, jeder Quadratzentimeter fühlt sich plötzlich wichtig und interessant an. Im klassischen Metroidvania-Stil kehrt man oft an alte Orte zurück und plötzlich klickt es und durch neue Items oder einfach Spielerfahrung erschließt man sich neue Areale und Extras in schon längst abgegrast gedachten Bereichen.
Die Welt ist bei alledem sehr viel kleiner als man es heutzutage von einem Blockbuster Action RPG gewohnt ist, aber sie ist dichter und facettenreicher als es die eine Million Hektar große Wüste in zum Beispiel Assassin's Creed: Origins je sein könnte. Wenn es hier leeren Space gibt, dann hat das einen Grund, dann hat das Wirkung. Wirkung, keine Methode. Man wird nicht für die Entdeckung von Kartenabschnitten mit neuen Fragezeichen auf der Map belohnt, die sich abermals um ein Vielfaches klonen, wenn man diese wiederum abgearbeitet hat. Der Fortschritt in God of War ist authentisch, real und erarbeitet.
Mir ist völlig bewusst, dass es genug Spiele gibt, bei denen eine gigantische Welt zum Spiel dazu gehört und selbstverständlich auch, dass es Millionen und Abermillionen Spieler gibt, die das abfeiern. Dennoch weiß ich Spielen der Zukunft keinen besseren Rat zu geben, als God of Wars Beispiel zu folgen. Lieber eine kleinere Welt, die man sich quasi zu eigen machen kann, die man wie seine Westentasche kennt als eine, die einen mit ihrer aufgeblähten Größe Anxietyattacken beschert, weil man das Gefühl bekommt, niemals voran und vor allem am Ende auch nirgends wirklich anzukommen. Auch hier die schöne Metapher in God of War: Man beendet das Spiel am höchsten Punkt der Welt, dem Gipfel der Riesen, und blickt im wahrsten Sinne des Wortes auf seine Reise zurück.
Schauen wir im Vergleich dazu noch einmal auf Assassin‘s Creed: Odyssey. Ich habe neun (!) Stunden für den Prolog auf der Anfangsinsel gebraucht und ein Blick auf die Karte verriet mir dann, dass ich nicht einmal 3% der Weltkarte aufgedeckt hatte. Odyssey ist aberwitzig groß. Alleine die Region um die Stadt Athen war größer als Unity oder Syndicate. Ich würde jetzt noch ein gefühlt ergänzen, ich glaube aber einfach es stimmt sogar. Gefüllt ist diese Gigantomap mit hunderten, nay, tausenden Markierungen und "Hotspots", Icons und Hinweisen, Schriftzügen und Lichtern. Die Spielewelt springt einen an, anstatt einzuladen. Man wird eher eingeschüchtert als abenteuerlustig. The Witcher 3 hatte ein ähnliches Problem, wenn auch bei weitem nicht so ausgeprägt.
Wenn man schon mit einer sehr großen Map arbeiten muss, dann soll man sie doch bitte unaufdringlich und passiv designen. Auftritt: Zelda: Breath of the Wild. Klar, von Anfang an sind die Storybeats klar, jeder Spieler weiß, wohin die Reise am Ende geht. Der Weg dahin wird aber so individuell, wie es nur sein kann. Die Welt gibt einem höchstens stumme Impulse, niemals ein hartes richtig oder falsch. Ich kann überall hin, muss aber gleichzeitig quasi nirgends sein. Markierungen setzt man selber, in den Farben und in dem Ausmaß, das man für richtig hält. Oder man lässt es einfach. So schafft es auch eine sehr große Map, dass sie sich der Spieler zu eigen machen kann. Man geht seine eigenen Wege. Einfach weil einem nicht Dutzende Fragezeichen und Symbole im Augenwinkel brennen, wenn man vielleicht einmal ganz bewusst einen Bogen um ein bestimmtes Gebiet macht. Jede Entdeckung bekommt mehr Gewicht, jedes Abenteuer was man erlebt, scheint weniger festen Regeln zu folgen.
Die Nachricht, Assassin's Creed: Valhalla habe eine noch größere Map als die des Vorgängers bereitet mir also eher Sorgen als das sie mich erfreut. Größer muss nicht immer aufgebläht und leer bedeuten, die Designphilosophie von Ubisoft hingegen oft leider sehr wohl.
Deswegen, liebe Open World Designer da draußen: Wenn groß, dann unaufdringlich und einladend, aber denkt ruhig mal wieder kleiner. Das kann den Spielspaß im Endeffekt umso größer machen.