Beginnen möchte ich diese Reise in die virtuelle Vergangenheit mit einem Gedanken, der nicht weniger pathetisch klingt, als er klischeebehaftet ist: "Geschichte habe ich schon immer geliebt!"
Auch wenn ich im selben Atemzug die Einschränkung hinzufügen muss, dass „immer“ in diesem Fall seit meinem vierzehnten Lebensjahr bedeutet, mindert es nicht meine Passion für die personalisierte Lehrmeisterin des Lebens. Es war der Moment, in dem die trockenen Lückentexte über Gilde und Zunft, die meist gepaart mit nicht enden wollenden Erläuterungen zum Lehnswesen auftraten, abgelöst wurden von einem der gewaltigsten und bedeutsamsten Ereignissen der frühen Moderne: Die Französische Revolution. Plötzlich war das Fach Geschichte mehr als auswendig zu lernende Jahreszahlen und klinische Statistiken zu Missernten oder Kriegen.
Es taten sich stattdessen Welten auf, voller aufwühlender Tagebucheinträge Pariser Dorfbewohner, provokanter Karikaturen, Briefe des verzweifelten französischen Königs aus der Gefangenschaft oder pompöse Gemälde des Sturmes auf die Bastille. Erstmals trat bewusst auch Philosophie in mein Leben. Große Politdenker wie Charles de Montesquieu auf der einen, aber auch eigene Gedanken über den Menschen das Leben und die Welt auf der anderen Seite. Wie können Menschen, die so passioniert gegen die Ungerechtigkeiten der Ständegesellschaft und für Freiheit Gleichheit und Brüderlichkeit kämpften, so grausam sein? Sich gegenseitig foltern und auf schaurigste Art und Weise umbringen? Noch wichtiger: Wie kann es sein, dass eine Nation, die es tatsächlich vollbringt die Jahrhunderte alten Muster königlicher Herrschaft zu verlassen, keine fünfzehn Jahre später von einem Kaiser regiert wird?
Auch wenn ich heute mit mittlerweile 28 Jahren und einem abgeschlossenen Geschichtsstudium weiß, dass die damaligen Ereignisse unglaublich komplex waren und kaum Schwarzweißmalerei zulassen, waren es diese Fragen, die damals als Funke für das Feuer der Geschichtsbegeisterung dienten, das noch heute in mir brennt.
An dieser Stelle fragt man sich völlig berechtigterweise, was diese ausschweifenden und zugegebenen recht kitschige Einleitung überhaupt mit Videospielen zu tun hat. Aber die Antwort ist leicht. Dieser grundsätzliche Enthusiasmus für Historie liefert die wichtigste Grundlage meiner Liebe zu einer Reihe, die im vergangenen Jahr bereits zehnjähriges Jubiläum feiern durfte: Assassin’s Creed.
Eine Reihe, die erst polarisierte, dann wieder völlig begeisterte, nur um schlussendlich wieder zu polarisieren. Nicht wenige der Journalisten und Spieler, die ihr einst unerschöpfliches Potenzial attestierten, flehen heute um ihre Einstellung. Ein Avantgardebeispiel des Videospiels als Medium der Kunst und narrativen Exzellenz ist verkommen zu einem alljährlichen Aufguss, einem faden Nachschlag eines schon längst nicht mehr köstlichen Gerichts.
Ein „Call of Duty für Geschichtsnerds“ sagt der Hater, ein „verwässertes Actionspiel für Stealthanfänger“ mault der Skeptiker, ein „Paradebeispiel für die bis zum letzten Tropfen gemolkene Wollmilchsau“ nennt es wiederum der Zyniker. All diese Anschuldigungen, soviel ist bereits bekannt, würde ich niemals einfach so unterschreiben. Aber ich kann absolut nachvollziehen, woher sie kommen und mit vollster Überzeugung widersprechen kann und möchte ich keiner davon.
Ich liebe Assassin’s Creed. Zu einer Liebe gehören aber auch Streit, Wut und Enttäuschung. Zu einer Liebe gehören Passion und Begeisterung ebenso dazu, wie Talfahrten und Missverständnisse. Manchmal, so musste ich lernen, gehören nach einigen Jahren zu einer Liebe Bugs, Abstürze und Framerateeinbrüche, Verbindungsfehler und Mikrotransaktionen. Das sind die Momente, in denen aus einer Liebe Hass werden kann. Aber auch Hass ist eine starke Emotion, hinter der sich oft einfach nur die Machtlosigkeit verbirgt, an einer bestimmten Situation nichts ändern zu können. Die sechzig Euro sind bezahlt, die dreißig bis fünfzig Stunden sind für immer von der Lebenszeit abgezogen. Man möchte lieben, kann es aber nicht (mehr). Wäre meine Liebe zu Assassin’s Creed eine reale Beziehung wäre unser Facebook-Status "kompliziert". Unsere Twitterfeeds wären voll mit kryptischen Nachrichten und Links zu Taylor Swift Songs. Keiner wüsste so richtig, wie es weitergehen soll.
Natürlich ist das alles hier mit einer Prise Ironie zu verstehen, aber unter dem Strich bleibt festzuhalten, dass meine Passion zur Realgeschichte und meine Passion für Assassin’s Creed untrennbar miteinander verbunden sind. So kam ich auf die Idee, die Geschichte dieser Serie, anlässlich des bevorstehenden Releases von Assassins’s Creed: Odyssee, wiederum in eine Serie für mein Blog zu verwandeln. Eine Retrospektive meiner wundervollen Hassliebe. Gespickt mit Erinnerungen und kleinen Rezensionen, Hoffnungen und Erwartungen für die Zukunft der Reihe und sonstigem Krimskrams, der sich beim Schreiben ergibt!
Beginnen werde ich alsbald mit dem original Assassin's Creed vom November 2007.
Stay tuned, wie die coolen Kids heute sagen =D